Dresden: Die Waldschlösschenbrücke ist flacher und anschmiegsamer als das Blaue Wunder. (Maßstabgerechter Silhouettenvergleich: Henry Ripke Architekten).
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Montag, 6. September 2021

Gendern als Unterwerfungsgeste


 

Nahezu jede Umfrage, fast alle Studien bestätigen in beeindruckender Weise, dass sich eine sehr große Mehrheit der Bundesbürger entschieden gegen das Gendern der deutschen Sprache positioniert. Dabei reicht die Skala der Genderkritiker von »bin dagegen« über »es gibt Wichtigeres zu tun« bis zu »Unsinn«, »Schwachsinn« oder »nervend«. Bemerkenswert: Mit teils mehr als 70 Prozent erreichen die Zustimmungswerte der Genderkritiker weit höhere Zahlen als Politiker oder Parteien bisher für sich verbuchen können und konnten. Und dennoch wird gegendert. 

Die Situation zeugt von einem gehörigen Maß an Herablassung, ja auch Überheblichkeit, mit denen die Pro-Gender-Kämpfer der Bevölkerung gegenübertreten. Mit dem Satz »die Wähler haben entschieden« ist eine Aussage richtig formuliert, denn jeder weiß, dass in der Gruppe der Wähler sowohl Männer als auch Frauen enthalten sind. Muss man den Bürger erst mit konstruierten Sprachschwurbeleien wie »die Wählerinnen und Wähler« oder gar »die Wähler_Innen« zur selbstverständlichen »Erkenntnis« drängen, dass es in der Wählerschaft neben den Wählerinnen auch Wähler und neben den Wählern auch Wählerinnen gibt? Für wie doof halten die Pro-Gender-Kämpfer die Bevölkerung? 

Gendern zeugt auch von Etikettenschwindel. Dass sich in der Sprachgeschichte durch Abstraktion Begriffe für die zusammenfassende Benennung von Gruppen herausgebildet haben, in denen zwar verschiedenartige Objekte enthalten sind, die aber auch über einige gleiche Eigenschaften verfügen, ist eine menschliche Kulturleistung. Wer darauf besteht, dass Sprache statt dieser zusammenfassenden Gruppenbegriffe eine Aufzählung der Einzelobjekte zu verwenden habe, attackiert diese Kulturleistung – das ist nicht fortschrittlich, sondern rückwärtsgewandt. Im »Land der Dichter und Denker« zersetzt Gendern die Sprache und macht sie zum Mittel des Regressiven ... 

Durch ihr Mit-Gendern definieren die Medien ihre eigene Funktion als zugehörig zu bestimmten politischen Strömungen oder gar Programmen politischer Parteien. Anstatt sie über politisch-ideologische Vorgänge kritisch, unparteiisch, also sachlich berichten, ergreifen solche Medien mit eigener Teilhabe Partei für eine Seite der Auseinandersetzungen. Damit attackieren sie Grundlagen der Rolle der Medien in unserer Gesellschaft. Dass eine gesellschaftliche Minderheit unter Zuhilfenahme ihrer Steigbügelhalter mit dem Mittel des Genderns öffentlichen Druck, Konformitätsdruck, auf die Bürger ausübt, verdeutlicht die Gefährdung unserer Demokratie. 

Der Kampf um das Gendern dreht sich in Wahrheit längst nicht mehr um Fragen der sprachlichen Richtigkeit. Pro-Gender-Kämpfer ignorieren die Argumente hochangesehener Sprachwissenschaftler und diffamieren häufig, manchmal verdeckt, die politische Seriosität der Streiter für eine gute und richtige Sprache. 

Da soll der Verein Deutsche Sprache (VDS) mit dem Hinweis herabgesetzt werden, dass unter den elf Vorstandsmitgliedern des VDS ein AfD-Mitglied sei, dass sein Vorsitzender »pegidahaft« sei oder dass der VDS ohnehin nur die Alten und altes Denken repräsentiere oder sogar, dass sich das Engagement der Gender-Gegner in Wirklichkeit gegen die Gleichberechtigung richte und daher »rechts« sei. Und wer den VDS unterstützt, begebe sich in »trübe Gesellschaft« ... 

Beim Gendern geht es nicht um ein Deutsch, das der heutigen gesellschaftlichen Situation angemessen wäre, auch nicht um die Durchsetzung der Gleichberechtigung mit sprachlichen Mitteln. Es geht um das Gendern als Unterwerfungsgeste. 

Mathias Bäumel 

 

Quellen: 

https://vds-ev.de/verein/vorstand/ 

https://uebermedien.de/7099/die-pegidahaftigkeit-des-vereins-deutsche-sprache/ 

https://www.sueddeutsche.de/kultur/verein-deutsche-sprache-gender-1.4358685