Dresden: Die Waldschlösschenbrücke ist flacher und anschmiegsamer als das Blaue Wunder. (Maßstabgerechter Silhouettenvergleich: Henry Ripke Architekten).
ddd

Dienstag, 17. März 2009

Vom Sinn der »Umweltzonen« oder: Wovon hängt die Feinstaubbelastung ab?

»Viel Aufwand, wenig Nutzen – Der Unsinn mit der Umweltzone« – unter diesem Thema lief am 23. Januar 2008 ein Beitrag in der Sendung »Kontrovers«, dem Politikmagazin des Bayerischen Fernsehens. Darin »glänzte« der SPD-Politiker Sven Thanheiser, Münchner Stadtrat und Sprecher des dortigen Umweltausschusses, durch seine Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen. Professor Detlev Möller, TU Cottbus, Lehrstuhl Luftchemie und Luftreinhaltung, hatte hervorgehoben, dass auch dann, wenn man alle Autos abschaffen würde, sich dadurch die durchschnittliche Feinstaubbelastung in Berlin um höchstens zehn Prozent senken ließe. Möller sei sich sicher, dass die Umweltzone nichts bringt. Er stehe schließlich nicht auf der Seite der Vertreter des Glaubens, sondern auf der des Wissens. Dieses Wissen sei auf der Basis solider Messungen und Verfahren gewonnen. An anderer Stelle des Beitrages erläuterte Dr. Matthias Klingner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) Dresden, anschaulich, dass und warum der ganz überwiegende Teil des Feinstaubaufkommens der Wettersituation und nicht dem Autoverkehr geschuldet ist. Thanheiser jedoch ließ sich davon nicht von seiner Auffassung abbringen. Was da ein Wissenschaftler in Cottbus sage, zeuge davon, dass der offensichtlich gewichtige Studien nicht wahrgenommen habe… Die Münchener Umweltzone sei beschlossen und werde wie geplant zum 1. Oktober 2008 eingeführt. Der TV-Reporter meinte dazu sinngemäß, dass sich dadurch die Luftqualität zwar kaum verbessern, dafür aber der Schilderwald und die Bürokratie vergrößern werde. Seit einigen Jahren arbeiten Forscher des Dresdner Fraunhofer-IVI an einem neuen Modell zur Prognose von Luftbelastungen, das mittlerweile auch praktisch mit großem Erfolg angewandt wird. Für dreizehn verschiedene Standorte in Sachsen wurde das vom IVI entwickelte Modell im Auftrag des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie angepasst, getestet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit Mitte April 2007 läuft diese Feinstaub- Prognose online, alle interessierten Bürger können sich im Internet über die vorausgesagten Feinstaubbelastungen für die nächsten drei Tage informieren. Mathias Bäumel befragte Elke Sähn, Mitarbeiterin am Fraunhofer-IVI und verantwortlich für die Umweltthemen.

M. B.: Fachleute gehen davon aus, dass nur ein kleiner Teil des gesamten in Großstädten gemessenen Feinstaubs vom Straßenverkehr generiert wird. Deckt sich diese Aussage mit den Ergebnissen der Messungen, die Sie für Ihre Feinstaubmodellierung verwendet haben?
Elke Sähn: Im Jahresmittel – so ergaben unsere Untersuchungen – liegt der Verkehrsanteil am PM10 (Feinstaub mit dem Durchmesser von weniger als zehn Mikrometern) an vielbefahrenen Straßen bei maximal 20 bis 25 Prozent. In dem am IVI entwickelten Feinstaubmodell bleiben Verkehrszahlen allerdings unberücksichtigt, es werden lediglich die meteorologischen Daten der letzten Tage und eine Wetterprognose benötigt. Unterschieden wird nach Werktagen, Samstagen und Feiertagen, um die variierenden Emissionen zu berücksichtigen. Indirekt – das Modell basiert auf einem Neuronalen Netz – fließen die lokalen Gegebenheiten wie Bebauung und Bepflanzung ein.

Welche Fahrzeug- und Motorentypen unter den Kraftfahrzeugen sind die größten Feinstaub-Sünder? Kommt man gerade denen mit der Pflicht zur Feinstaubplakette bei?

Mit der derzeitigen Regelung werden weniger als 10 Prozent aller zugelassenen Fahrzeuge (Pkw, Lkw, Busse) ausgesperrt. Der Anteil erteilter Ausnahmegenehmigungen ist ungewiss und von der jeweiligen Kommune abhängig. Motorräder, Mofas, Motorroller, landwirtschaftliche Zugmaschinen, Fahrzeuge für Schwerbehinderte (aG, H, Bl), Krankenwagen und Rettungsdienste haben auch in Umweltzonen freie Fahrt.

Sie haben mit Ihrer Arbeitsgruppe schon vor etwa zwei Jahren neue Verfahren zur Vorhersage der Luftbelastung vorgestellt. Die damit erstellten Prognosen zeigen den gravierenden Einfluss von meteorologischen Großwetterlagen auf die Feinstaubbelastung in deutschen Städten. Könnten Sie das etwas detaillierter erläutern?
Die Intensität der Sonneneinstrahlung bestimmt stark die Ausprägung des PM10- Tagesganges und damit auch den Tagesmittelwert. Gebundener Staub wird freigesetzt und steigt mit der erwärmten Luft nach oben. Dieser Vorgang beginnt mit der einsetzenden Sonneneinstrahlung am Morgen und ist umso stärker, je größer der Temperaturanstieg am Vormittag ist. Dieses Phänomen tritt vor allem in den Sommermonaten mit guten Luftaustauschbedingungen auf und stellt somit zumindest hinsichtlich der Grenzwertüberschreitungen nur selten ein Problem dar. Kritisch für die Einhaltung der PM10- Kurzzeitgrenzwerte sind die Wintermonate, in denen am häufigsten Inversionswetterlagen auftreten. Die Höhe der unteren Mischungsschicht beträgt nur noch 1/6 bis 1/10 der sonst üblichen 2000 m. Sämtliche Schadstoffe, auch Industrieemissionen und Hausbrand, können nicht in die Atmosphäre ausgetragen werden und reichern sich am Boden an. Das führt dazu, dass dieser Feinstaub plötzlich mitgemessen wird und der verkehrliche Anteil nur noch Bruchteile davon ausmacht.

Ergo: Das Wetter hat einen ungleich größeren Einfluss auf die Feinstaubbelastung als der Straßenverkehr?
Der Tagesmittelwert der PM10-Konzentration schwankt meteorologisch bedingt bei nahezu konstantem Verkehrsaufkommen an einer Straßenstation zwischen weniger als 10 μg/m3 und mehr als 100 μg/m3.

Wenn dies so ist, wo sehen Sie die Ursache dafür, dass dennoch unglaublich viel Geld ausgegeben und ein sehr hoher bürokratischer Aufwand für das Projekt Feinstaubplakette betrieben wird? Denn ein realer Nutzen im Sinne der deutlichen Senkung der Feinstaubbelastung durch die Plakettenpflicht ist ja nicht zu erwarten…
Ursprünglich erforderte die Umsetzung der EU-Luftqualitäts-Richtlinie gravierende Maßnahmen, um die Luftqualität in Städten zu verbessern und die Grenzwerte einzuhalten. Noch während die Kommunen an den Luftreinhalteplänen und ihrer Umsetzung arbeiten, wurde die EU-Richtlinie im Dezember 2007 novelliert. Man will den Städten drei Jahre Verlängerung geben, die bestehenden PM10-Grenzwerte einzuhalten, um sogenannten Aktionismus zu vermeiden. Zu diesem Zeitpunkt waren aber viele der geplanten Umweltzonen schon beschlossen…

Es fragte Mathias Bäumel.
(Der Beitrag ist im Original im Dresdner Universitätsjournal 3/2008 erschienen.)

Prognose der Feinstaubkonzentration in der Außenluft (nach IVI-Modellierung) auf der Seite des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hier.