Dresden: Die Waldschlösschenbrücke ist flacher und anschmiegsamer als das Blaue Wunder. (Maßstabgerechter Silhouettenvergleich: Henry Ripke Architekten).
ddd

Freitag, 30. November 2012

Dreißigerzonen und Stop-and-Go erhöhen Stickoxidbelastung deutlich

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) mit wichtigen Ergebnissen

Umweltzonen sind zur Feinstaubreduktion eingeführt worden und erweisen sich diesbezüglich als wirkungslos. Dies ist eines der Ergebnisse der vielfältigen Forschungsarbeit am Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme, die mittlerweile auch die Politik erreicht haben. So stellte Janez Potocˇnik, Europäischer Umweltkommissar aus Slowenien, mit Blick auf die Einführung von Umweltzonen fest: »Städtische Maßnahmen zur Luftqualität sind weitgehend wirkungslos!« Und tatsächlich: Es gibt seitens der EU keine Pflicht, Umweltzonen einzurichten. »Europa verlangt nur wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität«, hebt Holger Krahmer (FDP), Mitglied des Europäischen Parlaments, hervor.
Nun haben die Wissenschaftler Elke Sähn, Sven Boden und Matthias Klingner vom Fraunhofer-IVI in einer Studie (»Umweltzonen gegen NOx – gleicher Modus, mehr Erfolg?«, 2010) im Auftrag der IHK Ulm untersucht, ob Umweltzonen zumindest die Stickoxidbelastung reduzieren. Fazit: Die Einführung oder gar Verschärfung der Umweltzonen senkt keineswegs die Stickoxidbelastung, sondern führt tendenziell sogar zu deren Erhöhung.

Dabei lassen einzelne Ergebnisse besonders aufmerken.

So verursacht der Studie zufolge der schwere Lastverkehr – selbst mit nur sieben bis neun Prozent am Verkehrsaufkommen beteiligt – über 60 Prozent der gesamten NOx- bzw. über 30 Prozent der NO2-Emissionen! Elke Sähn vom IVI: »Wenn es gelänge, den Strom der LKWs durch die Stadt zu halbieren – in Dresden wäre dies ganz praktisch durch die Verkehrsführung über die Autobahn möglich –, käme der dadurch erzielte Reduktionseffekt bei Stickoxiden dem Effekt gleich, der durch ein komplettes PKW-Fahrverbot erreicht werden könnte.« Dabei darf nicht übersehen werden, dass Busse (sowohl Reise- als auch Stadtbusse) hinsichtlich der Stickoxid-Ausstöße noch größere Sorgenkinder als die LKWs sind, wenngleich in verschiedenen Ausmaßen. Sowohl NOx als auch speziell NO2 betreffend, emittieren Busse etwa doppelt so viele Mengen wie LKWs. Auch dies gilt es zu beachten, wenn man über den Wert und die Entwicklungskonzepte des öffentlichen Personennahverkehrs nachdenkt.

Die Studie zeigt weiterhin, wie wichtig Maßnahmen zur Verkehrsverflüssigung und wie widersprüchlich Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sind. Sie belegt, welch großen Einfluss der Verkehrsfluss auf die NOx- und NO2-Belasungen hat. »Bei flüssigem Verkehr sind die NOx-Emissionen um 32 bis 56 Prozent und die NO2-Emissionen um 29 bis 55 Prozent geringer als im Falle des Stop-and-Go-Verkehrs«, hält die Studie fest. Das sind beeindruckende Differenzen.

Auch die Einführung eines 30er-Tempolimits führt den Studienergebnissen zufolge zu einer im Vergleich zur normalen 50er-Zone deutlichen Erhöhung der Stickoxid-Emissionen: bei NOx um 26 Prozent, bei NO2 sogar um 29 Prozent. Das sollten besorgte Eltern zumindest bedenken, wenn sie wegen der angeblichen Gefahren für ihre spielenden Kinder für ihr Wohngebiet die Einrichtung von Dreißigerzonen fordern. Und dies sollte auch die Stadt Dresden nicht aus den Augen verlieren, wenn sie vor dem Konflikt steht, die stets zu geringen Finanzmittel für die Straßensanierung »richtig« zu investieren. In Dresden-Niedersedlitz zumindest ordnete man die Sanierung maroder Wohngebietsstraßen zugunsten von Reparaturen von Straßen mit Gewerbeanliegern als nachrangig ein und stellte lieber 30er-Schilder im Wohngebiet auf – somit eine eigentlich unnötig hohe NOx- und NO2-Belastungen in Kauf nehmend.

Vor dem Hintergrund der IVI-Studie sind die Untersuchungsergebnisse der Wissenschaftler aus dem Institut für Verkehrstelematik der TU Dresden, die trotz des wieder leicht steigenden Verkehrsaufkommens eine höhere durchschnittliche Reisegeschwindigkeit und damit einen leichten Rückgang des Stop-and-Go-Verkehrs festgestellt haben, Indiz für eine positive Entwicklung.

Mathias Bäumel
(Erstveröffentlicht im Dresdner Universitätsjournal 19/2012.)


Was sind Stickoxide und wie äußert sich ihre Gefährlichkeit?

Stickoxide sind eine Sammelbezeichnung für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs. Sie werden auch mit NOx abgekürzt. Mit Ausnahme des Lachgases verhalten sie sich gegenüber Wasser (beispielsweise in der Atmosphäre) als Säurebildner. Unter anderem wegen dieser Säurebildung wirken sie auf die Schleimhäute reizend und giftig. Stickstoffdioxid, NO2, ist ein rotbraunes, giftiges, stechend chlorähnlich riechendes Gas. Eingeatmetes Stickstoffdioxid löst Kopfschmerzen und Schwindel aus. Höhere Konzentrationen können Atemnot und Lungenödeme auslösen. (Quelle: Wikipedia)